Talent Management als Prozess in 10 Schritten
Talent Acquisition ist Arbeit, kostet Geld und Ressourcen und – mal ehrlich – das bisherige Recruiting erfüllt eigentlich ganz gut seinen Zweck. Wozu also umdenken?
Ganz einfach: gerade, weil das die Gewinnung und Rekrutierung von Talenten so aufwendig ist. Es geht bei der Talent Acquisition nicht um die Auswahl einiger besserer Persönlichkeiten aus einem Kandidaten-Pool, der sich wahllos und stetig füllt. Auch wenn es oberflächlich erscheinen mag, ist es aus unternehmerischer Sicht eine ganz logische und wirtschaftliche Überlegung, sich auf die seltenen High Potentials, die wahren Talente, zu konzentrieren. Allein dieser Fokus auf die Talente ist bereits ein Richtungswechsel vom reinen Recruiting zur Talent Acquisition.
Es geht nicht um die Wahl einiger Guter unter vielen. Es geht um die Anziehung, die Gewinnung, das Rekrutieren, Halten und Fördern von speziell definierten, einzelnen Talenten. Die Kunst ist es, in jedem Mitarbeiter sein spezielles Talent zu entdecken.
Folgende Grafik macht deutlich, was das im Einzelnen bedeutet. Im Gegensatz zum Recruiting-Prozess ist der Talentmanagement-Prozess niemals abgeschlossen. Auch wenn es einen ersten Schritt gibt, bei dem immer wieder angesetzt werden kann, existiert de facto kein letzter Schritt, mit dem das Ende des Prozesses erreicht wäre.
01. Schritt: Entscheidungsfindung
In der Führungsebene muss die Notwendigkeit für ein umfassendes, langfristiges und nachhaltiges Recruiting erkannt werden. Erst, wenn alle Beteiligten sich darüber einig sind, dass ein solches sinnvoll, nötig und erfolgsversprechend gestaltet werden kann, sollte zu weiteren Schritten übergegangen werden.
„Moderne Talent Acquisition können Sie sich wie ein ganz neues Automodell vorstellen.“
Die Anwendung ist wie die ersten Autofahrten damit: Wer sich mit dem Blick übervorsichtig und ängstlich, langsam fahrend knapp vor die Autohaube konzentriert, ist besonders gefahrgeneigt unterwegs. Aber auch derjenige, der zu schnell fährt und dessen Augen nur in die Ferne schweifen. Die erfahrenen Autofahrer können beides gleichzeitig – abgestimmt. Erfolgreiche, moderne Talent Acquisition bietet die Möglichkeit, dass Sie neue Talent von außen anziehen und gleichzeitig die Talente ihrer Mitarbeiter verstärken.[16]
02. Schritt: Analyse – Definition eines Talentes
In der Philosophie heißt es, man könne über nichts sprechen, sofern nicht die Definitionen der Begriffe geklärt seien. Das gilt für jedes neue Verfahren und jede Strategie, so auch für die eines neuen Talentmanagementsystems. Noch vor Jahren glaubte man, es ginge im Digital War of Talents um die wenigen herausragenden Talente statt um Kandidaten. Das stimmt noch immer, wurde aber durch einen Definitionswandel inzwischen in ein anderes Licht gerückt.
Die HR-Abteilungen der Unternehmen sind sich durchaus darüber im Klaren, dass ihre Definition von Talent nur eine Minorität der Mitarbeiter umfasst: Nur ein Drittel bestätigen eine umfassende Reichweite der Talentdefinition („In unserem Unternehmen gilt jeder als Talent, wird berücksichtigt und entwickelt“). Jedoch erweisen sich Unternehmen mit einer weiter gefassten Definition des Talentbegriffs als innovativer als solche, die eine elitäre Talentdefinition haben.[17]
Was aber bedeutet „weiter gefasster“? eine elitäre Definition von Talenten beschreibt jene Fachkräfte, die eben elitär, also ausgesucht, besonders sind. Diese Auserlesenheit kann sich auf intellektuelle Kriterien ebenso beziehen wie auf den Ausbildungsweg, das Alter oder die bisherige Laufbahn. Weniger werden dabei Softskills wie Lerneifer, soziale Kompetenzen und ähnliches betrachtet. Innerhalb der elitären Talentdefinition gilt der Harvard-Absolvent als wertvolles Talent, der Studienabbrecher einer beliebigen Hochschule nicht, unabhängig davon, ob dieser in seiner bisherigen Berufslaufbahn wertvolle Fähigkeiten und Kenntnisse erworben hat. Die demokratische Talentdefinition geht darum weiter: Sie bezieht Lernagilität, Feedbackkultur und individuelle Entwicklungs- und Fördermodelle mit ein, diagnostiziert potenzialbasiert und datengestützt. [18]
03. Schritt: Planung und Vorbereitung
Acquisition, Onboarding, Administration
An dieser Stelle haben Sie die Grundlagen geschaffen, um mit der konkreten Planung zu beginnen. Überlegen Sie sich genau, welche Konzepte zu Ihrem Unternehmen passen. Nicht jedes Modell lässt sich auch für jeden anwenden, egal, wie gut es vielleicht sogar bei Ihrem Mitbewerber funktioniert: Ihr Unternehmen ist einzigartig, also sollte es auch Ihre Talent Acquisition sein.
Koordinieren Sie und delegieren Sie die einzelnen Schritte in enger Abstimmung mit dem TAM und Ihrem restlichen Team. Erstellen Sie Zeitpläne. Bis wann wollen Sie Ihre Employer Branding -Kampagne aufgestellt haben? Wann sollen die ersten Zahlen analysiert werden und wer übernimmt das Monitoring? Auf welchen Kanälen wird rekrutiert? Wer kümmert sich um das Onboarding und wie soll es aussehen? Nehmen Sie diesen Schritt nicht auf die leichte Schulter. Von der Planung und Administration hängt die Strategie ab.
04. Schritt: Sourcing und Acquisition
Der Planung folgt die Umsetzung. Jetzt befinden Sie sich mitten im Recruiting und warten darauf, dass Ihr Unternehmen als Magnet zu wirken beginnt. Vergessen Sie nicht, dass Sie dabei an zwei Fronten gleichermaßen aktiv bleiben: intern ebenso wie extern. Talent Acquisition beginnt bei den bereits rekrutierten Fachkräften. Halten Sie sich an die Pläne.
05. Schritt: Recruiting, Selektion und Administration
Zum einen warten Sie, dass Ihre Arbeitgebermarke Feedback von außen erhält und Ihnen die Talente zulaufen. Zum anderen sind Sie intern mitten in der Selektion der bereits vorhandenen Talente und konzentrieren sich auf die bisher schlummernden Potenziale. An dieser Stelle zeigt sich bereits der Unterschied zwischen Ihrem bisherigen Recruiting und echter Talent Acquisition. Bestenfalls betrachten Sie auch Ihre Bewerber nun mit anderen Augen und erkennen mehr Potenzial und größere Chancen als zuvor.
06. Schritt: Evaluation der Performance
An dieser Stelle ist eine erste Prüfung des bisherigen Vorgehens nötig, um eventuelle Fehlentscheidungen sofort berichtigen zu können. Wenn Sie auf Widerstand, zum Beispiel bei Ihren Mitarbeitern, stoßen, gehen Sie darauf ein. Oft fehlt es nicht an Verständnis und Bereitschaft, sondern an klarer Kommunikation. Transparenz und Kommunikation auf Augenhöhe sowie die Einbeziehung aller Beteiligten, also auch der Talente selbst, haben Priorität. Immerhin legen Sie es auf ein langfristig funktionierendes Talent Acquisitions – Modell an.
07. Schritt: Analyse – Überprüfung der Vorgehensweise
Oft wird bei der Überprüfung bisheriger Vorgehensweise seitens HR-Verantwortlichen festgestellt, dass Innovationen nötig sind, um effektiver zu werden. Tatsächlich haben Umfragen ergeben, dass die Talente selbst oft bereits die zuletzt eingeführte Innovation noch immer als solche empfinden. Die Schwierigkeit bei einer Vorgehens-Analyse liegt darin zu entscheiden, was wirklich innovativ ist und zum Ziel führt, und was nur schön und neu wirkt, in der Umsetzung aber nicht zielführend ist.
08. Schritt: Anpassung – Methoden und Talententwicklung
Entsprechend den in der Analyse eruierten Maßnahmen sollten immer wieder Methoden hinterfragt und angepasst werden. Die Kunst in der Talent Acquisition ist es, Balance zu halten zwischen Stabilität und Agilität. Bleiben Sie aufgeschlossen und neugierig, berufen Sie regelmäßige Meetings ein und fragen Sie in der Belegschaft aktiv nach, um Talententwicklung unter Einbeziehung der Talente und somit nachhaltig und zielführend zu betreiben.
Eine Voraussetzung für den Erfolg des gesamten Prozesses ist dabei von, dem Talent Acquisition Manager sowohl relativ freie Hand als auch Ressourcen und Entscheidungsgewalt zukommen zu lassen.
09. Schritt: Zwischenergebnis – die besten Talente
Talent Acquisition braucht Zeit. Sie werden Jahre benötigen, um das komplette System ganzheitlich anzuwenden und die Erfolge auf ganzer Linie erkennen zu können. Doch die ersten Zwischenerfolge sehen Sie bereits nach wenigen Wochen, wenn das Feedback Ihrer Mitarbeiter eintrifft, wenn Sie gesteigerte Leistungen wahrnehmen und wenn die Außendarstellung, das Employer Branding, an Form gewinnt.
1o. Schritt: Evaluation des Prozesses
Wenn die ersten Ergebnisse vorliegen, kann mit der Evaluation begonnen werden. Hierfür sollte der Talent Acquisition Manager eng mit der Führungsebene, dem Marketing, Vertrieb und sonstigen involvierten Fachkräften des Unternehmens zusammenarbeiten. Nur so kann ein allgemeingültiges Urteil gefällt werden, indem Prozesse von allen Seiten beleuchtet werden. Machen Sie sich und Ihren Mitarbeitern und Entscheidern immer wieder klar, dass Sie eine langfristige Strategie verfolgen, die letztlich allen Beteiligten zum Guten gereicht.