14 Aug Anleitung für gutes Offboarding (Time to say goodbye)
Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance – für den letzten auch nicht. Deswegen sollten Trennungen privat wie im Unternehmen immer positiv gestaltet werden. Dazu müssen Unternehmen das Offboarding aber erst erlernen oder intensivieren.
Was ist Offboarding?
Offboarding – oder Exit-Management – meint den organisierten Prozess der Trennung von Mitarbeitern bis zu ihrem endgültigen Unternehmensaustritt. Das Offboarding findet auf zwei Ebenen statt:
- technisch-organisatorisch und
- sozial-emotional
Ist am anderen Ende das Onboarding von positiven Emotionen und Aufbruchstimmung bei allen Beteiligten besetzt, muss das Offboarding überwiegend in einer emotional schwierigen, belasteten Atmosphäre agieren.
Die Mehrheit der Unternehmen erkennt die Bedeutung des Offboarding an. In der Praxis tun sich viele Unternehmen dann doch schwer, den Prozess mit Fingerspitzengefühl und Geschäftsmäßigkeit zugleich ablaufen zu lassen.
Das muss aber das Ziel sein. Denn: Offboarding ist eine Facette der angestrebten modernen Unternehmenskultur und hat mehrfache Signalwirkung.
Warum ist Offboarding so wichtig?
Die reibungslose, respekt- und würdevolle Trennung haben sich Mitarbeiter verdient, die jahrelang für das Unternehmen viel gegeben haben. Sie verdienen sich diese Art der Trennung aber zuallererst auch als Menschen.
Mitarbeiter nehmen ein persönliches Fazit der Trennung mit, das sie später mit hoher Wahrscheinlichkeit auch kommunizieren werden – im privaten Umfeld, aber auch in Business Netzwerken, persönlichen Gesprächen innerhalb der Branche oder auf Arbeitgeberbewertungsportalen.
Negative Schilderungen, die sie dabei fundiert und differenziert vortragen, besitzen hohe virale Sprengkraft, die die externe Unternehmenswahrnehmung beschädigt. Das mühsam aufgebaute Unternehmensimage leidet. In der Folge kommt der Schaden schließlich noch im Bereich Recruiting an, dass zuletzt verstärkt auf die Strahlkraft des eigenen Images aufgebaut hat.
Ebenso herrscht innerhalb des Unternehmens reges Interesse am Ablauf solcher Trennungen. Die restlichen Mitarbeiter verfolgen sehr genau, welche Wertschätzung das Unternehmen baldigen Ex-Kollegen noch entgegenbringt, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Über den Flurfunk verbreiten sich die Eindrücke dann rasch bis in die entlegenste Niederlassung.
Zuletzt bleiben noch ethische wie praktische Aspekte. Jedes Unternehmen hat eine große soziale Verantwortung. Offboarding ist eine Möglichkeit, diese vorzuleben. Eine Trennung im Unfrieden bedeutet zudem oft Rechtsstreitigkeiten. Das kostet Zeit und Geld, bindet personelle Kapazitäten und kann am Ende wieder dem Image schaden.
Zusammengefasst:
Die Investition in ein sensibles, organisiertes Offboarding bildet zugleich eine wichtige Investition in
- Unternehmensimage
- Arbeitergeberattraktivität und
- Mitarbeitermotivation
Dabei kann es vier Entwicklungen geben:
Szenarien für das Offboarding
- Mitarbeiter möchten sich aus eigenem Antrieb verändern: die unproblematischste Situation.
- Mitarbeiter müssen aus betrieblichen Gründen entlassen werden: Offboarding muss das feinfühlig kommunizieren und Outplacement-Angebote bereitstellen.
- Persönliche Konflikte mit Kollegen oder Vorgesetzten führen zur Trennung durch die eine oder andere Seite: Die Unstimmigkeiten dürfen das Offboarding nicht beeinträchtigen.
- Mitarbeiter, die bald in den Ruhestand wechseln: Interne Verabschiedungen sind schnell organisiert, aber viele Mitarbeiter brauchen außerdem eine persönliche Begleitung in die oft schwierige Situation der baldigen Untätigkeit.
Trotz dieser sehr vielschichtigen Szenarien kann das Offboarding immer einer bestimmten To-do-Liste folgen. Sie beinhaltet mehrere Schritte, die teilweise parallel oder zeitlich aufeinander abgestimmt ablaufen müssen.
Die 7 Schritte: So funktioniert ein Offboarding-Prozess
Step #1 – Offenes Gespräch auf Augenhöhe
Mit einem ehrlichen und offenen Gespräch wird das Offboarding eröffnet. Der Vertreter oder die Vertreterin des Unternehmens legt dabei die Hintergründe dar, wenn die Trennung vom Arbeitgeber ausging. Im Anschluss können sich beide Parteien ein Feedback geben. Das Unternehmen sammelt dabei anhand eines Fragenkatalogs Informationen ein.
Dieses Gespräch sollte nie direkt mit der Kündigung zusammenfallen. Gekündigte Mitarbeiter brauchen eine Verarbeitungsphase. Unmittelbar zur Kündigung sollte Ihnen lediglich persönliche Unterstützung oder Hilfe durch Outplacement in Aussicht gestellt werden.
Step #2 – Papiere und Referenzen
Die Ausfertigung eines aussagekräftigen und möglichst positiven Arbeitszeugnisses wird rechtzeitig zum Gespräch veranlasst. Unternehmen können dann parallel um eine ähnliche Bewertung bei Arbeitgeberbewertungsportalen bitten.
Step #3 – Know-how-Transfer
Je länger ein Mitarbeiter für ein Unternehmen tätig war, umso mehr persönliches Know-how rund um seine Tätigkeit hat er angehäuft. Dieses soll nicht verloren gehen. Es hilft zudem bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter.
Deswegen sollten Unternehmen darum bitten, das Wissen konservieren zu dürfen. Dazu schreibt der Mitarbeiter dann eine umfassende Dokumentation.
Step #4 – Verabschiedung
Hierzu wird meist eine kleine Feier mit der Abteilung oder den engsten Kollegen veranstaltet. Schaltet sich das Unternehmen selbst aktiv in die Vorbereitung ein oder beteiligt sich an einem Abschiedsgeschenk, zeigt das eine gute Portion Wertschätzung.
Ein persönlicher Besuch der Feier muss situationsabhängig erwogen werden. Mindestens sollte aber immer eine Abschiedskarte und eine kleine Aufmerksamkeit überreicht werden.
Step #5 – Bleiben Sie in Kontakt
Die Mitarbeiter von gestern können morgen Kunden oder Geschäftspartner werden. Das funktioniert umso besser, wenn der Kontakt bestehen bleibt. Dazu könnten sich beide zum Beispiel auf Businessportalen vernetzen, der Ex-Mitarbeiter wird Teil der erweiterten Sourcing-Datenbank oder Adressat bestimmter Newsletter.
Step #6 – Technik & Organisation
Last but not least folgt die organisatorische Abwicklung: Accounts und Zugänge werden gelöscht und das Firmen-Telefon, Zugangskarten oder die Schlüssel des Dienstwagens eingesammelt.
Step #7 – Mehr Kommunikation
Andere Mitarbeiter und Kunden müssen genauso angesprochen und so weit wie möglich über die Umstände der Trennung informiert werden. Besonders intern darf dies nicht der letzte Schritt sein.
Frühzeitige aktive, transparente Kommunikation verhindert das Aufkommen von Gerüchten oder falschen Informationen.
Der Zeitpunkt und der Umfang externer Mitteilungen bestimmt sich abhängig von den Beziehungen zwischen Mitarbeiter, Geschäftspartnern oder Kunden. Bei engen geschäftlichen Verbindungen sollten Unternehmen ebenfalls frühzeitig Trennung und Nachfolge kommunizieren sowie die nachfolgenden Mitarbeiter persönlich vorstellen.
Der schwierigste Teil dieser sieben Schritte liegt in Step #1 – dem Offboarding-Gespräch. Hier entscheidet sich wesentlich die Wahrnehmung des ganzen Offboarding-Prozesses beim Mitarbeiter.
Das richtige Offboarding-Gespräch führen
Ein Offboarding-Gespräch gehört in jedem Fall auf die Tagesordnung – auch bei Kündigung durch Mitarbeiter oder einem nahenden Ruhestand.
Dazu erhält der Mitarbeiter eine Einladung vorab. So kann er sich darauf vorbereiten. Die Kündigung konnte er bis dahin bereits persönlich verarbeiten.
Treffpunkt ist ein neutraler, ruhiger Ort im Unternehmen. Schon zu Beginn erhält der Mitarbeiter sein Arbeitszeugnis. Das räumt Hemmungen beiseite, die ein offenes Feedback im Offboarding-Gespräch verhindern würden.
Das Offboarding-Gespräch ist immer ein Vier-Augen-Gespräch. Es treffen sich zwei gleichwertige Gesprächspartner. Der Mitarbeiter soll nicht durch ein personelles Übergewicht eingeschüchtert werden. Dabei geht der Unternehmensvertreter am besten mit einem Exit-Fragebogen durch das Gespräch und notiert wichtige Eckpunkte der Antworten.
Nach- oder Zusatzfragen können den Mitarbeiter weiter öffnen, der sich natürlich einen gewissen Text zurechtgelegt hat. Will er sich nicht weiter äußern, ist das zu respektieren.
Wer sollte das Offboarding-Gespräch führen?
Offboarding-Gespräche sind immer ein Fall für Human Resources. Direkte Vorgesetzte oder der Chef haben hier nichts zu suchen.
Das Arbeitsverhältnis endet zwar, aber die alten Hierarchien verhindern an dieser Stelle trotzdem noch eine offene Kommunikation. So kann es Unternehmen nicht gelingen, das wichtige, ehrliche Feedback einzuholen.
Exit-Fragebogen und Checkliste für HR-Mitarbeiter
Zwölf Beispiel-Fragen für ein Offboarding-Gespräch – Fragenumfang und -richtung werden besonders bei den Mitarbeitern interessant, die selbst gekündigt haben:
- Warum haben Sie gekündigt?
- Was hätten wir ändern müssen, damit sie nicht gekündigt hätten?
- Hatten Sie diese Kritik schon einmal geäußert? Was passierte danach?
- Gehen wir zurück zum Anfang: Wie fanden Sie das Onboarding?
- Zu Vorgesetzten oder Management: Wie empfanden Sie das Verhältnis?
- Was meinen Sie zur Stimmung in Ihrem Team oder Ihrer Abteilung?
- Hätten Sie sich Ihren weiteren Karriereweg mit Aufstieg und Weiterentwicklung auch hier vorstellen können? Was hätte dafür passieren müssen?
- Gehen die Gründe für Ihre Kündigung vielleicht noch viel weiter zurück? Hatten Sie nach der Einstellung das Gefühl, dass wir Ihnen im Einstellungsprozess falsche Versprechungen gemacht oder Ihre Aufgaben falsch beschrieben haben?
- Würden Sie uns als Arbeitgeber weiterempfehlen? Falls nein, warum nicht? Falls ja, würden Sie uns auf Portalen oder in Netzwerken positiv bewerten und beschreiben?
- Wie würden Sie unsere Unternehmenskultur beschreiben? Was könnten wir verbessern?
- Was können wir im Bereich Mitarbeiterbindung noch tun und verbessern?
- Was sollten wir bei der Neubesetzung Ihrer Stelle besonders beachten?
Das Offboarding-Gespräch bietet Gelegenheit, vielschichtige Einsichten aus Mitarbeitersicht zu gewinnen:
Die Fragen hier sind stark auf Mitarbeiter zugeschnitten, die selbst gekündigt haben. Die Beispiele zeigen aber auch eine Richtung für Gespräche mit gekündigten Mitarbeitern an.
Gibt es Tools für das Offboarding?
Den Kern des Offboardings – die persönliche und angemessene Kommunikation – können Software oder Tools natürlich niemals ersetzen!
Sie können allerdings helfen und den organisatorischen Teil erleichtern. Daneben macht es Sinn, die Antworten aus Offboarding-Gesprächen zu erfassen und zu katalogisieren. Eine automatische Auswertung vieler Gesprächsprotokolle erkennt besser und schneller bestimmte Muster mit Häufungen oder Tendenzen in den Antworten.
Oft sind die Tools schon vorhanden, denn viele Software-Services oder Cloud-Lösungen aus dem Onboarding können mit kleineren Anpassungen auch das Backoffice beim Offboarding leisten. Mancher Anbieter liefert dafür sogar gleich die Vorlage mit – zum Beispiel HROnboard: