Der Aufbau einer positiven Arbeitgebermarke ist auf dem Arbeitsmarkt heute so wichtig wie kaum jemals zuvor. Dabei geht es vor allem darum, sich von der Konkurrenz positiv abzuheben, und zwar aus Sicht der spärlich gesäten Fachkräfte. Die Erfahrungen mit Ihnen als Arbeitgeber prägen Ihren Ruf auf dem Arbeitsmarkt.
Die Candidate Experience ist es daher neben dem ebenso wichtigen Employer Branding, die nicht zuletzt wegen der heutigen medialen Vernetzung über Social-Media-Kanäle und Job-Portale maßgeblich das Employer Branding bestimmt. Dennoch ist der Begriff einigen Recruiting-Experten und Unternehmen weitgehend unbekannt.
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„Während sich Kundenorientierung (oder Customer Centricity) bei immer mehr Unternehmen durchsetzt, steht eine konsequente Mitarbeiterorientierung (Employee Centricity) bei vielen noch aus. Viele Unternehmen generieren beispielsweise Customer Insights, über Candidate Insights hingegen verfügen die wenigsten.“ [1] Stellen Sie daher sicher, dass Sie den Faktor „Mensch“ nicht als zu gering eingestuft haben im geplanten Onboarding-Prozess, bevor Sie Ihren Recruiting-Prozess starten.
Dieser und somit auch die Candidate Experience beginnen mit der Stellenanzeige und enden spätestens zwei Jahre nach Einstellung. Eine Nichteinstellung des Kandidaten, weil dieser beispielsweise wegen einer negativen Candidate Experience lieber zu einem Mitbewerber geht, wirkt sich im schlechtesten Fall deutlich länger für Sie aus, und: es zieht unter Umständen weite Kreise.
Quelle: Wollmilchsau
Was kompliziert klingt, ist mit einer guten Strategie einfach. Denn ein optimaler Rekrutierungs-Prozess findet und bindet die Kandidaten, die optimal zum Unternehmen passen.
Wenn Übereinstimmungen in grundlegenden Ansichten und Zielen beriets vorhanden sind, wird der weitere Onboarding-Prozess bereits im Vorwege „entkompliziert“. Passende Kandidaten durchlaufen den Onboarding-Prozess erfolgreich und zufrieden und stärken das Unternehmen langfristig wirtschaftlich wie sozial.
Ein idealer Recruiting-Prozess geht jedoch noch weiter: er hinterlässt die nicht in das Unternehmen aufgenommenen Bewerber mit einer positiven Candidate Experience, die sie zu Multiplikatoren macht und so die Employer Value Proposition des Unternehmens verstärkt.
Candidate Experience lässt sich mit Umfragen und Bewertungssystemen dank des Internets heute in Zahlen recht simpel erfassen. Wie bereits angedeutet, erheben aber die wenigsten Unternehmen solche Zahlen. Vielleicht auch deshalb, weil deren korrekte und zielführende Analyse eines offenen Blickes bedarf wie auch der Bereitschaft, sich selbst und das eigene Vorgehen kritisch zu hinterfragen. Denn zunächst gilt es, mit einem fest verankerten Gedankenmodell aufzuräumen: die Schuld liegt nicht immer bei den anderen.
Wenn der Kandidat nicht die geforderten Qualifikationen mitbringt, nicht über einschlägige Berufserfahrung verfügt, lieber in Teilzeit arbeiten möchte oder sich noch in der ersten Woche mit den Worten verabschiedet, er gehe doch lieber zum Mitbewerber, wird die Schuld gern bei anderen gesucht als bei sich selbst in der Personalabteilung oder in der Führung.
Da oftmals diverse Kolleginnen und Kollegen an dem Recruiting-Prozess beteiligt sind und über die Besetzung einer Stelle häufig mehrere Personen entscheiden müssen, ist es auch recht leicht, die Verantwortung für eine letztlich doch nicht besetzte Vakanz abzugeben.
Jede der internen Interessengruppen will es richtig gemacht haben, und gemeinsam wird selten nach einer zukünftigen Strategie gesucht, mit der man es besser macht.
Dabei geht ein solch zersplittertes, heterogenes Recruiting immer zu Lasten der time-to-hire, der Recruiting-Kosten und letztlich zu Lasten der Bewerber. Um deren Candidate Experience also in den Mittelpunkt zu stellen, bedarf es einer homogenen Recruiting-Strategie und guter Team-Work. Auch gilt es vorab festzustellen, welche Key Performance Indicators von den Kandidaten überhaupt als relevant angesehen werden. Am Anfang stehen also Fragen, Fragen und noch mehr Fragen.
„Ist es Ihnen auch schon passiert, dass Sie auf Jobsuche waren und sich zum einen erst einmal dafür anmelden mussten, dass Sie sich überhaupt bewerben durften, und Sie sich zudem durch ein mehrere Seiten langes Bewerberformular quälen mussten? Oder dass Sie keine Rückmeldung auf Ihre Bewerbung erhalten haben?“[2]
Mit diesen Fragen leitete ein Personaler-Blog seinen Artikel zum Thema Candidate Experience bereits im Jahr 2014 ein. Der Autor trifft den Nagel damit auf den Kopf, denn er stellt die Fragen aus Sicht des Kandidaten, der sich bewirbt, rückt also die Erfahrungen des Kandidaten in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Genau das ist die Idee: Candidate Experience beschreibt die Erfahrungen des (potenziellen) Bewerbers und zieht diese heran, um Recruiting-Prozesse aus Sicht der Kandidaten zu optimieren.
Candidate Experience ist mit Customer Experience vergleichbar
„Die Theorie der Candidate Experience ist bisher nur selten tiefergehend betrachtet worden, mit wenigen Ausnahmen. In der Regel wissen die meisten nur, dass das Thema ursprünglich vom Customer Experience Management hergeleitet wurde.“ [3]Die Fragen, die Sie sich zunächst stellen sollten, wenn Sie die Candidate Experience in Ihrem Unternehmen optimieren wollen, sind ebenfalls ähnlich dem der Customer Experience: Wie empfangen Sie Bewerber so, dass sie sich direkt willkommen fühlen, und wie bleiben Sie dabei authentisch? Die folgenden Seiten werden Ihnen die Antwort auf diese und weitere Fragen zum Candidate Experience Management liefern.
Candidate Centricity wird dann ein Thema, wenn Sie sich bereits die Frage gestellt haben, wer Kunde der Recruiting-Maßnahmen ist: der auftraggebende Fachbereich des Unternehmens, das Unternehmen selbst oder der Kandidat? Und wenn Ihre Antwort lautet: Der Kandidat, dann sind Sie auf dem richtigen Weg, denn Sie haben bereits erkannt, wohin die Reise geht.
Die „Reise“ des Kandidaten, seine Candidate Journey durch Ihren Rekrutierungsprozess, und somit auch seine ersten Erfahrungen mit Ihnen als Arbeitgeber, beginnt nicht unbedingt mit der Sichtung der Stellenausschreibung. Der Suchende kann ebenso gut auf Ihrer Firmenwebsite verzweifelt nach dem Kariere-Button suchen, auf einer Messe für Auszubildende und Studierende sein oder Ihr Angebot von der Agentur vorgelegt bekommen. Sind Sie vorbereitet auf unverhoffte Kontaktaufnahme mit einem Bewerber? Ist Ihre Karriere-Website aktuell und intuitiv bedienbar?
Quelle: Softgarden
Ansprechende Inserate
Das Inserat sollte bereits ansprechend formuliert und aufgesetzt sein[4]. Sprache und Information in der Stellenbeschreibung entscheiden darüber, ob die Reise des Kandidaten weitergeht oder nicht. Versetzen Sie sich in seine Position und fragen Sie sich: Ist eine Anzeige ansprechend, in der eine lange Liste von Anforderungen an den Bewerber den Hauptteil ausmacht, aber kaum etwas über den angebotenen Job selbst steht? Wenn dann noch unter „Das bieten wir“ lediglich der kostenlose Kaffee, die Dachterrasse und der Obstkorb genannt werden, ist das Interesse schnell verflogen.
“Wer als Benefit dem Mitbewerber auf dem Markt gegenüber lediglich angeben kann, dass er seinen Mitarbeitern den täglichen Kaffeegenuss nicht in Rechnung stellt, hat offenbar nichts Besseres als das zu bieten.”
So wirkt es zumindest auf den Kandidaten. Achten Sie zudem auf Ihre Rechtschreibung. Wenn Sie Stunden damit zubringen, sich die passenden Job-Portale für die Veröffentlichung Ihrer Anzeige zu suchen, damit Sie nicht zwischen qualitativ minderwertigen Angeboten inserieren, sollten Sie selbst auch eine entsprechend hohe Qualität liefern. Das gilt ebenso für Ihre Firmen-Website und für Rückmeldungen an die Kandidaten.
Ansprechpersonen und Feedback im Zentrum
Die Rückmeldung als nächste Station der Candidate Journey sollte ebenfalls mit Sorgfalt vorbereitet sein. Zum einen muss der Kandidat sich bei Ihnen melden können, ohne Umwege und an den direkten Ansprechpartner. Nennen Sie also in Ihren Ausschreibungen Namen, E-Mail-Adresse und Telefonnummer. Verfassen Sie eine Antwort per E-Mail zügig, mit persönlicher, korrekter Ansprache und ebenfalls in korrekter Rechtschreibung und Grammatik. Einen Pluspunkt erhalten Sie, wenn Sie zusätzlich den telefonischen Kontakt suchen und diesen freundlich und interessiert gestalten.
Grundsätzlich sollten Freundlichkeit und echtes Interesse an seiner Person den Kandidaten durch den gesamten Rekrutierungsprozess begleiten. Das gilt auch, wenn statt einer Einladung erst einmal eine automatische Aufforderung gesendet wird, sich in das Unternehmens-Portal oder einen Bewerber-Pool einzutragen. Wenig durchdacht und keineswegs kandidatenorientiert ist es beispielsweise, den Lebenslauf in einzeln zu befüllenden Textfeldern abzufragen, wenn dieser vorab oder im Anschluss als Dokument hochzuladen ist. Auch das Bewerbungsfoto als Pflichtangabe in Ihrem Pool mag Ihre persönliche Neugier stillen, hat aber mit Candidate Centricity nichts zu tun.
Die wichtigsten Touchpoints bestehen überall dort, wo es zwischen Bewerber und Arbeitgeber zu persönlichem Kontakt kommt. Das verwundert nicht, denn der zwischenmenschliche Umgang miteinander wird bei erfolgreicher Rekrutierung in den meisten Fällen vierzig Stunden wöchentlich stattfinden. – Selbst, wenn das Unternehmen groß oder überregional aufgestellt ist, kann der erste persönliche Kontakt des Kandidaten mit einer Führungskraft, die er unter Umständen nie wiedersieht, eine Menge über die generelle Wertschätzung der beschäftigten Mitarbeiter aussagen.
Ausschlaggebend ist auch, ob im Umgang mit Kandidaten tatsächlich die Candidate Centricity vorherrscht, oder es doch nur um die eigene Vermarktung geht. Bewerber merken schnell, ob ein Unternehmen tatsächlich Wert legt auf das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter, oder ob für den ersten Eindruck nur so getan wird, als ob. – Beispielsweise, wenn als Benefit ein Smartphone bei Einstellung geboten wird, im Gespräch dann aber die Ankündigung folgt, dieses sei selbstverständlich auch einmal außerhalb der Arbeitszeit für dienstliche Zwecke zu nutzen.
Personaler und Führungskräfte sollten jedenfalls davon ausgehen, dass der Kandidat unbewusst eine Fülle an Informationen aufnimmt und erst im Nachhinein analysiert – bewusst oder unbewusst. Solche „gefühlten“ Werte bestimmen dann, ob er ein gutes oder ein schlechtes Bauchgefühl zum angebotenen Arbeitsplatz hat. Achten Sie darum für eine gute Candidate Experience auf Feinheiten, die Ihnen in der Theorie selbstverständlich erscheinen, in der Praxis aber oftmals vergessen werden, sei es aus Zeitmangel oder weil letztlich nicht klar ist, in wessen Verantwortung die Erledigung liegt.
Liste zum Abhaken vor dem Bewerbergespräch:
Besonders die letzten beiden Punkte sind relevant und gehen viel zu häufig in allem anderen unter. Dabei sind sie es, die sich später auf das „Bauchgefühl“ des Kandidaten auswirken, wenn er eine Entscheidung trifft.
Eine Umfrage unter knapp 300 Bewerbern verschiedener Branchen ergab, dass die wenigsten von ihnen in einem Bewerbungsgespräch an der Firmengeschichte interessiert sind (siehe Grafik 1). Von der menschlichen, persönlichen Warte aus betrachtet wundert das kaum. Vor allem deshalb nicht, weil
Anzunehmen, der Kandidat habe sich „pauschal“ beworben, ohne das Unternehmen gegooglet zu haben, wirkt in den meisten Fällten überheblich. Denn Sie implizieren damit, dass der Bewerber sich nur beworben hat, weil er einen Job braucht, und nicht, weil er über Fähigkeiten verfügt, die er an einem Ort einsetzen möchte, an dem er wirken und wachsen kann, und dass er sich über Ihr Unternehmen ausreichend informiert hat, um es als diesen Ort ausgewählt zu haben.
Letzteres scheint in den letzten Jahrzehnten ins genaue Gegenteil verkehrt worden zu sein. Kaum ein Unternehmen, das nicht bereits in der Stellenanzeige erst einmal 200 Wörter lang über sich selbst berichtet, bevor überhaupt die ausgeschriebene Tätigkeit beschrieben wird, geschweige denn, was der Arbeitgeber zu bieten hat, wie folgende Auszüge aus den Einleitungen aktueller Online-Inserate zeigen:
„Wir sind seit zwei Jahrzehnten Marktführer in …“, „Als einer der ersten Online-Händler für Feinkost, Delikatessen und feine Getränke steht die [XY] GmbH seit 2002 für unkomplizierten Genuss per Mausklick. Die [XY] GmbH ist eine Tochtergesellschaft der [XY] AG.“, „XY.de wurde mit der Vision gegründet, eine qualitativ hochwertige [Soundso] zum besten Preis anzubieten. Gründer [XYZ] stellte sich damit entschieden gegen die Preisabsprachen des [Soundso]-Kartells. Die [Soundso]® Anti-Kartell-[Produkt] wurde von Stiftung Warentest mit der Note „1,8“ bewertet („test“ 7/2015) und ist die bis heute „Beste [Soundso]“ der Stiftung Warentest.“
Wie bereits zu Beginn angesprochen, hat man im Marketing schon lange erkannt, dass jeder Touchpoint, jeder direkte Berührungspunkt also, mit dem Customer eine Chance ist, diesen in den Mittelpunkt zu rücken und somit für sich zu gewinnen. Abgeschaut haben sich das die Marketing-Experten dort, wo auch das Recruiting nun hinsehen muss: direkt bei den Menschen.
„[Es] gibt natürlich Experten, Berater und Dienstleister, die Ihnen erzählen, was Sie unbedingt machen müssen, um für Jobsucher und Bewerber attraktiv zu sein. Ganz ehrlich: Vor allem die hippesten Empfehlungen / die neusten Trends sind für die meisten Unternehmen nicht relevant. Behaupte ich. Stattdessen sollten sie lieber mal die Basics wirklich umsetzen. Das passiert noch viel zu wenig, meiner Erfahrung nach. Ich habe ein paar persönliche Theorien, was für Jobsucher wirklich, wirklich wichtig ist. Und das ist nicht hipp, sondern gesunder Menschenverstand.“ [6]
Dieser gesunde Menschenverstand sagt Ihnen, dass Sie sich auf einen Besucher vorbereiten, ihm in die Augen sehen und sich für ihn wirklich Zeit nehmen sollten. Er sagt Ihnen auch, dass eine Absage an einen Kandidaten selbstverständlich sein sollte. Respekt zeigt sich in Fragen, in echtem Interesse und der daraus entstehenden Erkenntnis, dass Gemeinsamkeiten und Sympathien füreinander bestehen. Zudem lässt sich gar nicht oft genug betonen, dass die Zeiten lange vorbei sind, in denen es sich Unternehmen leisten konnten (auch wenn es schon damals von wenig Respekt für den Bewerber zeugte), den Kandidaten wie einen Bittsteller zu behandeln. Sich selbst in den höchsten Tönen zu loben, um anschließend den Kandidaten im Gespräch wissen zu lassen, dass seine Leistungen und Erfahrungen nicht die besten in der Bewerberliste sind, sorgen garantiert für mehr als nur einen kleinen Dissatisfier in der Candidate Experience Ihres Bewerbers.
Glauben Sie also nicht alles, was Ihnen die Berater von außen erzählen, sondern beobachten Sie Ihren Rekrutierungsprozess einmal mit eigenen Augen Schritt für Schritt. Die größte Herausforderung für Unternehmen besteht darin, wieder zu den einfachen Dingen zurückzukommen, die für Kandidaten wirklich wichtig sind, und zwar langfristig und essenziell.
„Sie haben keine starke Arbeitgebermarke? Ihr Unternehmen ist völlig unbekannt? Macht nix. Solange die Aufgaben des Jobs spannend sind und passen! Das finden zumindest knapp 90% der Teilnehmer.“ [7]
Für die in Umfragen so oft herangezogene Generation Y, die Millennials, ist zudem der Respekt wichtig, der ihnen von Ihren Vorgesetzten entgegengebracht wird. Auch hier können Unternehmen wieder zu alten Werten zurückkehren. Statt unpersönlicher Online-Fragebögen können Sie Kandidaten direkt fragen, was Sie am Unternehmen interessiert, was sie wissen möchten, und Sie können den Firmenrundgang persönlich durchführen und den Bewerber am Ende bis an die Tür bringen.
Genau hier scheitern die meisten Unternehmen
An den Details, die zeigen, dass man sich zwar schon irgendwie auf den Bewerber vorbreitet hat, dass er aber eben nur einer von vielen ist, und man eigentlich im Tagesgeschäft deutlich wichtigere Dinge zu tun hat. Um bei den Inhalten des Vorstellungsgesprächs zu bleiben: Die eigene Unternehmensgeschichte hat eine Führungskraft natürlich eh parat und kann sie vortragen, ganz gleich, wer ihr gegenübersitzt. Doch den Lebenslauf des Kandidaten vorab gelesen und sich eingeprägt zu haben, sollte ebenfalls eine Selbstverständlichkeit sein. Stattdessen werden die meisten Kandidaten in einem Vorstellungsgespräch nach genau diesem gefragt, als hätten sie ihn nicht vorab zur Einsicht gesendet.
Im schlimmsten Fall haben sie ihn in den Bewerberpool hochgeladen, ihn auf der Karrierewebsite des Unternehmens eingetippt, ihn zur Ansicht mit zum Gespräch gebracht und müssen ihn dennoch in diesem nacherzählen (Beispiele wie diese sind real und nicht selten).
Hinzu kommen Fragen, von denen Recruiter und Personaler sehr genau wissen, dass sie die Privatsphäre der Bewerber betreffen: Der Kinderwunsch beispielsweise geht niemanden etwas an, außer den Gefragten selbst. Es herrscht leider in vielen Unternehmen die Ansicht vor, der Personaler dürfe jede Frage stellen, habe ein Anrecht auf jegliche Information, während dem Kandidaten keinesfalls das gleiche Recht zugesprochen wird. Mit diesem Trugschluss sorgen Unternehmen dafür, dass die Kandidaten sich vom ersten Moment des persönlichen Kontakts an minderwertig behandelt fühlen und das Interesse an dem Arbeitgeber verlieren. Zudem verlassen sie das Gespräch mit einer negativen Candidate Experience.
Das echte Interesse am Kandidaten, die absolute und ehrliche Candidate Centricity aber bedeutet, sich auf den Kandidaten vorzubereiten, sich auf ihn einzulassen und auch, selbst auf dem Prüfstand zu stehen. Im Sinne der Candidate Experience gibt es eben gerade nichts wichtigeres als den Menschen.
Auch, wenn es nun so klingt, als wäre der gesamte Recruiting-Prozess voller versteckter Fehlerquellen, lassen sich die meisten Dissatisfier in dem Prozedere relativ leicht beheben. Ihre Konkurrenten auf dem Markt mögen hippe Arbeitsbedingungen bieten, doch Sie können sich mit authentischer, menschlich völlig unkomplizierter Art positiv von ihnen abheben.
Bleiben Sie fair, ehrlich und realistisch und kommunizieren Sie diese Unternehmenswerte ganz direkt.
Statt zum Beispiel das iPad und die coole Weihnachtsfeier als Benefit anzubieten, werben Sie in Ihrem Inserat vielleicht mit einem Firmen-Bike als umweltschonende Alternative zum Firmenwagen (die Y Generation mag es grün) und einem Schnuppervormittag, an dem die Kandidaten sich in ihrer angestrebten Abteilung umsehen und den Mitarbeitern bei einem anschließenden Frühstück Fragen stellen können. Schaffen Sie Kommunikation auf Augenhöhe, sorgen Sie für Transparenz und einen respektvollen Umgang. Dann heben Sie sich ohne Mühe von Ihren Mitbewerbern ab, ohne dass es große Investitionen braucht.
Selbst, wenn Sie den Kandidaten am Ende nicht einstellen, ist seine positive Candidate Experience durch solche Erfahrungen mit Ihnen letztlich in Ihrem Sinne. Denn, das stellte bereits die erste deutschsprachige Studie zu diesem Thema von Christoph Athanas (meta HR) und Prof. Peter M. Wald (HTWK Leipzig) im Jahr 2014 fest: „Die Candidate Experience hat deutlichen Einfluss auf das Arbeitgeber-Image. Employer Brands können stark von Bewerbererlebnissen profitieren bzw. erheblich darunter leiden. Candidate Experience ist gestaltbar: Die Studie identifiziert drei Handlungsdimensionen und eine Reihe zugeordneter Einflussfaktoren, welche positive oder negative Bewerbererfahrungen begründen. Arbeitgeberreputation absichern: Die Gestaltung eines Vertrauensverhältnisses zum einzelnen Bewerber ist möglich und liegt klar im Interesse der rekrutierenden Unternehmen. Schließlich geben 80% aller Bewerber an, ihre Bewerbungserlebnisse mit Freunden und Bekannten zu teilen. Insbesondere jüngere Kandidaten tun dies auch über soziale Netzwerke.“ [8]
So gesehen können Sie gar nichts Wichtigeres für Ihren guten Ruf auf dem Arbeitsmarkt in den Fokus stellen als den Kandidaten und seine Erfahrungswerte mit Ihnen. Wenn die Candidate Experience bei Ihnen in den Mittelpunkt gerückt ist, erhalten Sie ein positives Employer Branding und eine gute Employer Value Proposition quasi gratis und langfristig dazu. Das wiederum verschafft Ihnen die guten Fachkräfte, nach denen Sie suchen.
Quellen:
[1] http://bruhn-partner.com/employee-engagement/, nachgeschlagen am 20.08.2018
[2] https://personalmarketing2null.de/2014/10/candidate-experience-der-bewerber-als-laestiger-bittsteller/, nachgeschlagen am 21.08.2018
[3] Candidate Experience: Ansätze für eine positiv erlebte Arbeitgebermarke im Bewerbungsprozess und darüber hinaus, Tim Verhoeven, S. 7
[4] Siehe hierzu weiter unten: Touchpoints: Ihre wichtigsten Berührungspunkte
[5] http://www.hzaborowski.de/2018/01/17/was-bewerber-wollen-wie-waere-es-mit-mensch-sein/, nachgeschlagen am 17.08.2018
[6] https://www.hzaborowski.de/2018/01/09/was-jobsucher-wollen-ist-gar-nicht-so-viel/, nachgeschlagen am 22.08.2018
[7] https://www.hzaborowski.de/2018/01/09/was-jobsucher-wollen-ist-gar-nicht-so-viel/, nachgeschlagen am 21.08.2018
[8] http://www.metahr.de/downloads/candidate-experience-studie-2014/, nachgeschlagen am 22.08.2018